Unterrichtsgestaltung als Komponieren

Das musikdidaktische Modell Musikpraxen erfahren und vergleichen und Neue Musik

Autor: Christopher Wallbaum

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In der Neuen Musik, wie sie in den 1950er und 60er Jahren historisch bestimmend in Erscheinung trat, wurden Veränderungen im Selbstverständnis der Kunst artikuliert, wie sie bis heute auch in der Theorie ästhetischer Praxis und Erfahrung kaum deutlicher formuliert werden. Diese Neue Musik kann insofern als Vorlage für ein allgemeines Modell musikalisch-ästhetischer Praxis und Erfahrung gelesen werden, von dem sich Gestaltungsprinzipien für den gesamten Musikunterricht ableiten lassen. Zugleich aber ist diese Neue Musik auch „nur“ eine unter ganz anderen historisch und global zu findenden Musiken. Von daher ist sie ein Inhalt von Musikunterricht unter anderen (sofern man davon ausgeht, dass Musikunterricht nicht nur – wie manchmal religiöse Unterweisung – in eine spezielle Musik einführen soll).

Die Grundzüge und Begründungszusammenhänge des Modells Musikpraxen erfahren und vergleichen wurden andernorts dargestellt.1

Im vorliegenden Text wird anhand des Begriffs Komponieren der genannte doppelte Bezug des prozess-produkt-didaktischen Modells Musikpraxen erfahren und vergleichen zur Neuen Musik in drei Spots umrissen:

  • Neue Musik öffnet den Blick dafür, dass alles Kunst sein kann. Mit anderen Worten, dass Komponieren nicht notwendig das Gestalten von Werken bedeutet, sondern letztlich nur das Gestalten von Erfahrungssituationen bzw. Praxen. 
  • Eine musikpädagogische Analyse mit den Voraussetzungen aus Punkt 1 ergibt, dass die prozess-produkt-didaktische Methode, nach der Schülerpersonen (im Folgenden Schül.) ihre Erfahrungssituationen selbst (mit-) gestalten bzw. komponieren, die Aussichten auf musikalisch-ästhetische Erfahrung begünstigt und daher musikdidaktisch zu empfehlen ist.2
  • In einem musikdidaktischen Kanon von Familien von Musikpraxen erscheint Neue Musik (der 1950er/60er Jahre) als charakteristisch für eine ganze Familie von Musiken.

Was heißt komponieren? (Die Erweiterung des Musikbegriffs)

Komponieren in seiner ursprünglichen Wortbedeutung com-ponere bedeutet nichts als zusammensetzen/-stellen/-legen. Weitergehende Bedeutungszuschreibungen, die sich in der abendländischen Kunstmusik vom Basteln und Werkeln zum Meisterhaften und weiter bis zum genial-einzigartigen Kunstwerk steigern, können, müssen aber nicht mit dem Wort komponieren verknüpft werden. 

Was wird beim Kom-ponieren zusammengesetzt oder -gestellt? – Mit den Einsichten der Neuen Musik der 50er/60er Jahre, von Fluxus und Happening, kann alles auf jede erdenkliche Weise zusammengestellt werden. Dem entsprechend tritt in der Theorie ästhetischer Erfahrung an die Stelle des Artefakts die Situation bzw. Praxis.

Wer setzt oder stellt zusammen? In der (Praxis der) Neuen Musik wird reflektiert, dass das musikalisch Erfahrene nicht allein vom Komponisten und seinem Werk abhängt, ja sogar gänzlich ohne beide stattfinden kann. Dementsprechend verschwimmt auch die Rollenverteilung von Komponist, Interpret und Publikum. Zum Beispiel ist in einem Wandelkonzert nicht mehr vorbestimmt, welche Teile einer Komposition ein Zuhörer wahrnimmt und wie er diese in seiner Wahrnehmung bzw. Erfahrung zusammensetzt. Bei Kassettenrecorder-Spielen bzw. heute in Playlists oder Soundprogrammen komponieren Hörer_innen ihre eigenen Stücke.3

John Cage stellt in 4:33 drei Zeitabschnitte bereit, in denen Hörer auf die Musik der Umgebung hören können; in Die singende Schnecke komponiert Hans Wüthrich, dass Schilder in Bäume gehängt werden, auf denen Anweisungen dafür stehen, in welchen Deutungskontexten das Publikum sich jeweils zufällige Naturklänge vorstellen soll. 

Beispiele für Schilder in Bäumen: „Merke dir zwei akustische Ereignisse aus dem realen musikalischen Ablauf. Kombiniere sie auf verschiedene Weisen innerlich miteinander und setze sie dauernd mit der sich verändernden akustischen Umwelt in Beziehung.“4

„Versetze dich in verschiedene Gemütsstimmungen (trotzig, heiter, aggressiv usw.). Höre die umgebenden akustischen Ereignisse entsprechend deiner jeweiligen Verfassung.“5

 „Versuche, nichts in das Realklingende hineinzuhören.“6

„Wussten Sie“, schreibt Wüthrich im Vorwort, „dass die Flüssigkeit im Schneckengang Ihres Ohres nicht nur durch äußere Reize in Schwingung versetzt wird, sondern ebenso durch das innerliche Hören, die Imagination von Klängen und Geräuschen?“ Ein aktuelles Beispiel für die Rollenvermischung  von Komponisten, Interpreten und Publikum präsentierte das Kunstfest Weimar 2015 mit einem mehrteiligen „Stadtrundgang“, den die Komponisten Daniel Ott und Kirsten Reese gestalteten.7

Entsprechend der Relevanz aller Situationsaspekte für Musik rückt in ästhetischer Theorie die Praxis an die Stelle des Werks. Das Wort Praxis betont erstens die Aktivität bei der Konstruktion von Musik auf allen Ebenen, von der Wahrnehmung über körperliche Aktivitäten, technische Hilfsmittel und Artefakte bis hin zu zufälligen Objekten, und zweitens betont Praxis, dass es in der Musik stets mehrere Beteiligte gibt; sei es als direkt Anwesende, sei es als indirekt Anwesende, die über Techniken, Regeln und Artefakte ihre Handlungsspuren in die Praxis einbringen.

Warum wird zusammengesetzt? Um eine erfüllte Zeit zu haben. Verschiedenen Musikpraxen kann es um verschiedene Arten der Erfüllung gehen. (Vergleiche zum Beispiel die Erfüllungsinteressen von experimenteller Musik mit einer Kompilation von Lieblingsstücken.) Es geht in ästhetischer Praxis nicht um irgendwelche weltanschaulich abgrenzenden, manipulativen oder sonstigen Zwecke im praktischen Leben, sondern nur um die Zeit in dieser Praxis selbst;8 und dennoch berührt ästhetische Praxis mit zahlreichen Konkretionen auch mehr oder weniger die alltägliche Welt und das Leben ihrer Akteure.  

Komponieren und Unterricht (produktionsdidaktische Ansätze)

Komponieren kann im Zusammenhang von Unterricht unterschiedlich positioniert werden, nämlich als Komponieren von Unterricht, im oder als Unterricht.

  • Als Komponieren von Unterricht lässt sich die Tätigkeit einer Lehrkraft bezeichnen, wenn sie einen Unterricht plant. Sie setzt sich ein Ziel, bedenkt den Kontext und die beteiligten Schül., überlegt Methoden und Materialien und wie der Lehr-Lern-Prozess möglichst motivierend, in sachlich sinnvoller und abwechslungsreicher Reihenfolge im gegebenen Zeitrahmen zu einem wünschenswerten Ergebnis kommen kann.
  • Komponieren im Unterricht kann im Musikunterricht sowohl als ein Inhalt als auch als eine Methode unter anderen praktiziert werden.9 Je nachdem, welche Musik im Unterricht thematisiert werden soll, wird dabei eher von „komponieren“ oder aber von „erfinden“, „improvisieren“, „inszenieren“10, „gestalten“ oder allgemein von „produzieren“ gesprochen werden.  Eine Übergangsform vom Komponieren im zum Komponieren als Unterricht stellen Produktionsdidaktiken dar, die das Produzieren (im weitesten Sinne von komponierendem Erfinden einschließlich improvisierendem Realisieren) von Musik zur alleinigen Form von Musikunterricht machen. Als Beispiele aus der Geschichte der Musikpädagogik seien nur die Modelle von Jöde in den späten 1920ern, der das erfindende Singen mit Kindern zugrunde legte, von Paytner/Aston und Meyer-Denkmann in den 70ern, die von der Praxis Neuer Musik ausgingen, und Schütz in den 80ern, der auf der Rockmusik im Klassenarrangement basierte, genannt.11 
  • Das Komponieren als Unterricht macht nur noch einen kleinen Schritt über die beschriebenen Produktionsdidaktiken hinaus. Die Konzepte der Kommunaloper von Henze und der Klangszenenimprovisation von Roscher, beide in den 1970ern entwickelt und bis in die 80er und 90er Jahr praktiziert, können als Schritte in diese Richtung interpretiert werden, indem die Komponisten bzw. Lehrkräfte – die Unterscheidung zwischen beiden Funktionen ist da kaum noch zu machen – gemeinsam mit den teilnehmenden Laien bzw. den Schüler_innen ein Produkt entwickeln und gestalten. Geht man davon aus, dass solche Produktionen im Kontext von Schule stattfinden und dass es nicht in jedem Fall um öffentliche Aufführungen gehen muss, sondern auch um die Gestaltung von Erfahrungssituationen verschiedenster Art im Klassenrahmen gehen kann, dann wäre dies Komponieren als Unterricht. Der Produktionsdidaktiker Wolfgang Longardt (1968) hat diese Möglichkeit von Musikdidaktik angedeutet (vgl. Wallbaum, 2000, 58–66). In Bezug auf die allgemeinbildende Schule ist dieses Vorgehen dem projektorientierten Unterricht nahe.12 Der entscheidende musikdidaktische Schritt, der hier dargestellt und vollzogen werden soll, ist der, dass die Schül. nicht nur in einem Musikunterricht komponieren, den eine Lehrkraft „komponiert“ hat, sondern dass sie selbst musikdidaktisch denken und ihre musikalisch bildenden Erfahrungssituationen bzw. Musikpraxen planen und gestalten.

 Produkt- oder Prozessorientierung? (Prozess-Produkt-Didaktik)

In den 60er/70er Jahren war die Frage der Prozess- oder Produktorientierung musikpädagogisch beinahe gleichbedeutend mit der Frage, ob man konservativ oder progressiv orientiert war, wobei dieses Urteil über den Musik- und speziell Werkbegriff hinaus mit politisch-weltanschaulichen Positionierungen assoziiert wurde.13 Musikpädagogisch fand die Alternative Produkt- oder Prozessorientierung eine Entsprechung und Fortsetzung in Schüler- oder Werkorientierung oder noch allgemeiner Subjekt- oder Objektorientierung. Später ist das harte Entweder-Oder eher der Aufmerksamkeit für die Relation zwischen Subjekt und Objekt bzw. letztlich einer praxialen Sichtweise gewichen, in der Subjekte wie Objekte nicht als isolierte Einheiten, sondern als eingebettet in praxiale bzw. kulturelle Zusammenhänge gedacht werden. Kurz gesagt ist aus heutiger Sicht eine relationale Prozess-Produkt-Didaktik zu empfehlen, wobei mit Produkt weniger ein notiertes Werk als das (auch vorläufige) Ergebnis eines Such-, Probier- und Gestaltungsprozesses gemeint ist. In der prozess-produkt-didaktischen Praxis bedeutet das einen stetigen Wechsel zwischen dem Entwerfen, Vollziehen bzw. Performen und Reflektieren einer Musikpraxis unter dem Aspekt, ob sie erfüllend war. In dieser Reflexion wird der erfahrene Prozess zum Produkt, das nach Bedarf verbessert, quasi neu oder um-komponiert wird.  Das Ziel einer ästhetisch gelungenen bzw. erfüllten Praxis gibt dem Prozess die Richtung. 

Wo es der Neuen Musik in ihrer historischen Situation um das Überschreiten und letztlich Überwinden der musikgeschichtlich bedingten Grenzen in Form von Gestaltungstechniken, Hör- und Denkweisen wie kadenziellen Zusammenhängen, Wiederholungen etc. ging, da geht es aus allgemein prozess-produkt-didaktischer Perspektive nur um das musikalisch bildende Überschreiten der Grenzen, die die jeweiligen Schül. mitbringen; kurz gesagt um Lernen bzw. Bildung.14

 Musikpraxen erfahren und vergleichen (Erweiterung von Prozess-Produkt-Didaktik)

Das durch Analysen und Verallgemeinerung letztlich relativ abstrakt gewordene prozess-produkt-didaktische Modell gilt prinzipiell für jede musikbezogene Lehr-Lern- bzw. Erfahrungssituation, in der es um ästhetisches Handeln und Erfahren geht. Um als musikdidaktisches Modell über das allgemeine Verfahren hinaus auch musikalische Inhaltsentscheidungen zu unterstützen, ohne den kompositorischen Kern zu behindern, lässt sich das prozess-produkt-didaktische Modell erweitern zu Musikpraxen erfahren und vergleichen, in dessen Kontext dann die Neue Musik – bzw. ihre Kompositionstechniken, Kompositionseinschränkungen, Schriften etc. – in einem „Korb“ voll Material und Anregungen für neue Kompositionen wiederkehrt.

Anhand der Abbildung Musikpraxen erfahren und vergleichen lassen sich die Erweiterungen der Prozess-Produkt-Didaktik anschaulich erläutern, wenn man einerseits vertikal das Verhältnis von Korb zu Musikpraxis und andererseits horizontal das Verhältnis der Musikpraxen und Körbe zueinander betrachtet.

Vertikal: Jeder Korb stellt eine Zusammenstellung von Techniken dar, mit denen sich eine Praxis gestalten lässt. In einen Korb, der charakteristische Techniken (bzw. „Praktiken“15) der Neuen Musik enthält, könnte man zum Beispiel (unter anderen) die Techniken legen, die Hans Schneider für seine Workshops verwendet, ausgehend etwa von Experimenten mit Materialien wie Stein, Papier oder Luftballons, Verwendung von alternativen Notationsformen, auch Spielkonzepten usw. 16 Eine Gruppe, mit der er gemeinsam einen Workshop gestaltet, wird immer nur eine Auswahl der im Korb liegenden Techniken verwenden können und außerdem eigene, situativ bedingte Elemente in die entstehende Praxis einbringen, sodass aus einem Korb eine prinzipiell unendliche Zahl verschiedener Musikpraxen (=1 von x) gestaltet werden kann. Der Unterschied zur rein formalen Prozess-Produkt-Didaktik ist nur, dass mit dem Korb eine gewisse Eingrenzung der für dieses Spiel (für diese Gestaltung bzw. Komposition) gegebenen Mittel vorgenommen wurde.17

Horizontal: Die zweite Erweiterung der Prozess-Produkt-Didaktik liegt darin, dass nicht nur eine einzige Musikpraxis (mit Rolle a.a.O. könnte man auch „Inszenierung“ sagen), sondern eine lange Reihe verschiedener Musikpraxen gestaltet und vollzogen würde. Die quasi curriculare Vorgabe wäre, dass jede Schül. im Laufe der Schulzeit aus jedem Korb eine Mindestzahl von Musiken praktiziert haben sollte. Am Anfang jeder neuen Komposition (Produktion/Gestaltung/Inszenierung) steht ein Klassengespräch zur Frage, aus welchem Korb die nächste Praxis gestaltet werden soll. Die Suche nach Entscheidungshilfen im Verlauf eines solchen Gesprächs führt dazu, dass zur Erläuterung Vergleiche zu schon erfahrenen Musikpraxen herangezogen und die Eigenheiten jedes Korbs befragt werden. (Das ist eine Stelle, bei der auch Vergleiche mit gesellschaftlichen Musikkulturen naheliegen.)

Bei dem Versuch, das Modell Musikpraxen erfahren und vergleichen noch einen Schritt weitergehend zu konkretisieren, stößt der vorliegende Text auf die vermutlich größte Herausforderung, nämlich die Frage, nach welchen Kriterien die Körbe bestückt werden sollen bzw. was die Körbe unterscheiden soll, wenn am Ende in einer überschaubaren Zahl von Körben Produktions- bzw. Kulturtechniken aller bekannten Arten musikalischer Praxis einen Platz finden sollen. Die Frage nach den Kriterien kann und soll in diesem Text nicht beantwortet werden. Wichtig ist hier vor allem, dass die Techniken Neuer Musik einen spannenden und aussichtsreichen Korb füllen könnten.

 

Neue Musik als „Gravitationszentrum“ für einen Korb

Die Neue Musik der 50er/60er Jahre halte ich für einen Kandidaten, um das „Gravitationszentrum“ eines Korbes bzw. einer Familie von Musikkulturen zu bilden. Entsprechend der Überwindung traditioneller Gestaltungsmittel und der Erweiterung des Werkbegriffs bis hin zur Ununterscheidbarkeit von Alltagssituationen bezieht Neue Musik auch nicht akustische Dimensionen von Musik – Bewegungen, Gesten u.a. – in ihre Inszenierungen ein (z.B. Kagels Instrumentales Theater). Schließlich thematisiert sie den Hörer bzw. das Publikum selbst als Komponisten der Musik, die es hört (siehe oben Wüthrich).18 

Zum Beispiel noch nahe an der klassischen Komposition wäre die Herstellung einer Collage aus Alltagsklängen am Computer, die zunächst noch durch vertraute Rhythmisierungen, Klangfarben oder andere ordnende Gestalten dem gewohnten Musikbegriff popsozialisierter Schül. nahegebracht werden und dann durch fortschreitende Auflösung oder andere Kompositionstechniken an eine Wahrnehmungspraktik heranführen, in der auch unbearbeitete Alltagsgeräusche als Musik erscheinen. Im Zuge eines solchen Kompositionsprozesses könnte es naheliegen, sich über Wahrnehmungen auszutauschen und Youtoube, Schriften, Kompositionen etc. heranzuziehen. 

Ein anderes Kompositionsprojekt könnte stärker das Hörverhalten anstelle des Gegenstands modellieren, zum Beispiel einen Hörspaziergang oder Parcour über und durch Alltagsobjekte und -situationen zusammenstellen, der durch eine „schöne“ Konstellation von zuverlässigen und zufälligen Klangereignissen charakterisiert ist … Der Beispiele sind unendlich.

Man kann diesem Korb das Erfüllungsinteresse, alles als Musik hören zu können, als Telos einschreiben. 19 Kompositionen hätten dann (in diesem Korb) letztlich den Zweck, ihre Hörer_innen bei ihren Hörgewohnheiten abzuholen und dahin zu leiten, dass sie die akustische Umwelt als Musik hören können; mit anderen Worten dorthin, wo sie keine Kompositionen mehr brauchen. Der erfolgreiche Komponist wäre dann wie ein erfolgreicher Lehrer: der, der sich überflüssig macht.

 


1 Im historisch-systematischen Zusammenhang: Wallbaum, C. (2016). Erfahrung – Situation – Praxis. In: Barth, D. (Hrsg.), Musik. Kunst. Theater. Fachdidaktische Positionen ästhetisch-kultureller Bildung an Schulen. (S. 39–56) Osnabrück: epOs-Verlag. Eine Darstellung anhand von Metaphern findet sich in: Oberschmidt, J. & Wallbaum, C. (2014). Zukunftswerkstatt Musikdidaktik. Zu den metaphorischen Gründen der Modelle „Aufbauender Musikunterricht“ und „Musikpraxen erfahren und vergleichen“. In: Kampe, F., Oberschmidt, J., Riemer, F. (Hrsg.), Vielfalt neuer Wege. Bericht vom ersten Niedersächsischen Landeskongress Musikunterricht. (S. 36–52) Hannover: Institut für Musikpädagogische Forschung. 

 2.Wallbaum, C. (2000). Produktionsdidaktik und ästhetische Erfahrung. Veröffentlicht als Produktionsdidaktik im Musikunterricht. Kassel: Bärenreiter (2. Aufl. 2009, Sachsen: Qucosa).  

3. Meyer-Denkmann, G. (1972). Struktur und Praxis neuer Musik im Unterricht. Wien: Universal Edition; Willis, P. (1991). Jugend-Stile. Zur Ästhetik der gemeinsamen Kultur. Originaltitel: Common Culture. Symbolic work at play in the everyday cultures of the young. Hamburg, Berlin: Argument (Original im Verlag der Open University Press, Milton Keynes, 1990). Jüngst erweiterte der Kultursoziologe Andreas Reckwitz das Prinzip, dass die Rezipient_innen selbst ihre ästhetischen Objekte zusammenstellen, zu einem Grundprinzip kulturellen Lebens in der westlichen Gesellschaft, in der jeder Mensch sein Leben nach dem Vorbild von Kunst und Künstlern gestaltet. Reckwitz, A. (2012). Die Erfindung der Kreativität. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Darin insbesondere: Zentrifugale Kunst. Die Selbstentgrenzung der Kunstpraktiken. S. 90–132.

4 Wüthrich, H. (1979). Die singende Schnecke [The singing snail] (S. 5.). Wien: Universal Edition. 

5 Ebd.

6 Ebd., S. 6.

7 Ein zwölfköpfiges Ensemble, eine vorproduzierte Tonspur, lokale Vereine sowie die Zuschauer_innen bringen die Orte gemeinsam zum Klingen. Das Publikum erlebt den Soundtrack der Stadt als Spiel im öffentlichen Raum. Am Festivalzentrum erhalten die Zuschauer_innen Lautsprecherboxen und begeben sich mit diesen zu den Spielorten. Die Boxen sind mit Sounds und Soundminiaturen bespielt, die sich direkt oder assoziativ auf den jeweiligen Ort beziehen und für die Vorstellung durchkomponiert sind.

8 Seel, M. (1996). Zur ästhetischen Praxis der Kunst. In: Ethisch-ästhetische Studien (S.126–144). Frankfurt/M.: Suhrkamp tb, und derselbe (2000). Ästhetik des Erscheinens. Frankfurt/M.: Hanser.

9 Der Gedanke der Methode als Inhalt von Musikunterricht findet sich schon bei Wilfried Fischer: Fischer, W. (1982). Methoden im Musikunterricht der Primarstufe. In: Schmidt-Brunner, W. (Hrsg.), Methoden des Musikunterrichts. (S. 125–144) Mainz: Schott. 

10 Rolle, C. (2010). Musikdidaktische Reflexionen: Was heißt musikalische Bildung durch Inszenierung ästhetischer Erfahrungsräume? In: Wallbaum, C. (Hrsg.), Perspektiven der Musikdidaktik. (S. 197–223) Hildesheim: Olms.

11 Zu den genannten Produktionsdidaktiken sowie zu den im Folgenden genannten von Henze und Roscher vgl. ausführlich Wallbaum, 2000, a.a.O.

12 Zum Projektunterricht Gudjons, H. (1993). Handlungsorientiert lehren und lernen: Schüleraktivierung, Selbsttätigkeit, Projektarbeit. Hamburg: Klinkhardt, Wallbaum, 2000, a.a.O. S.  287, und Malmberg, I. (2012). Projektmethode und Musikunterricht: Didaktisch-methodische Perspektiven der Projektmethode für Lehr- und Lernprozesse im Musikunterricht. Wien: Lit.

13 Vgl. ausführlicher Weber M. (2005). Musikpädagogische Theoriebildung im Zeitalter der bundesdeutschen Bildungsreform 1965–1973. Eine Diskursbeschreibung als Beitrag zu einer Methodologie in der historischen Musikpädagogik (= IfMpF-Forschungsbericht, 17). Hannover: Institut für Musikpädagogische Forschung. 

14 Christian Rolle weist den „ästhetisch bildenden“ Effekt ästhetischer Praxis durch die Analyse ästhetischer Theorien nach; Hermann Joseph Kaiser weist durch die Kombination des Begriffs ästhetischer Praxis mit dem des Lernens nach, dass Produktionsprozesse von Musik problemlösendes Lernen notwendig machen und motivieren. Vgl. Rolle, C. (1999). Musikalisch-ästhetische Bildung – Über die Bedeutung ästhetischer Erfahrung für musikalische Bildungsprozesse. Kassel: Bosse. Kaiser H.J. (1996). Was tun wir eigentlich, wenn wir uns mit unbekannter Musik auseinandersetzen? oder: Vorbereitende Überlegungen zu einer pädagogischen Theorie „Musikalischen Lernens". In: Eckart-Bäcker, U. (Hrsg.), Musik-Lernen – Theorie und Praxis. Studien zur Theorie der Musikpädagogik. (=Musikpädagogik. Forschung und Lehre, Beiheft 7). (S. 9–39) Mainz: Schott. 

15 Ich setze hier ebenso wie Reckwitz, 2016, (Kultur)techniken und Praktiken gleich und verstehe Praxis als „Serie von temporalen Ereignissen, die eine Aktualisierung der sozial-kulturellen Praktiken durch einzelne Körper, mit bestimmten Artefakten, in präzisen raum-zeitlichen Situationen betreiben, in ?denen sich? immer wieder ein Potential für überraschende Verschiebungen, Modifizierungen und Eigensinigkeiten" ergibt. Siehe: Reckwitz, A. (2016). Kreativität und soziale Praxis (S. 35). Bielefeld: Transcript.

16 Schneider, H. (2017). musizieraktionen frei streng lose. Anregungen zur V/Ermittlung experimenteller Musizier- und Komponierweisen mit 29 Originalbeiträgen. Pfau: Büdingen.

17 Die Unterscheidung von Körben hat einschließlich der Beschränkung auf vor allem die in einem Korb versammelten Gestaltungstechniken eine doppelte Funktion: Zum einen regt sie durch das Vergleichen die musikkulturelle Reflexion und Orientierung an, zum anderen unterstützt sie die Spannung erzeugende Abwechslung in der Folge von schulischen Musikpraxen. Diese Vorgaben können von Lehrkräften wie Schül. als behindernde Einschränkung wahrgenommen werden und dies gilt es in jeder konkreten Gestaltungssituation ernst zu nehmen, indem jedes Mal abzuwägen ist zwischen einerseits der Begrenzung, an der Kreativität sich erst entzünden kann, und andererseits der Macht des geschmacklichen bzw. korresponsiv ästhetischen Widerstandes, sich auf eine offene ästhetische Praxis einzulassen. Im Falle des Letzteren besteht immer die Möglichkeit, von den Akteuren gewünschte bzw. von der Situation vor Ort begünstigte Elemente einzubringen, also auch solche, die nicht zum Korb gehören (exemplarisch durchgespielt in Wallbaum, C. (2005). Neue SchulMusik – Ästhetische Praxis oder Enkulturation? Die musikdidaktische Beleuchtung einer exemplarischen Problemsituation im Licht pragmatischer Ästhetik. In: Institut für Neue Musik und Musikerziehung Darmstadt (Hrsg.). Hören und Sehen – Musik audiovisuell. (S. 313–325) Mainz: Schott. 

18 In einen Korb für musikpädagogische Gestaltungen würden zum Beispiel viele Verfahren aus Veröffentlichungen von Matthias Handschick, Stefan Jäger, Ortwin Nimczik, Jürgen Oberschmidt, Wolfgang Rüdiger, Matthias Schlothfeldt, Hans Schneider, Matthias Schwabe, Philipp Vandré passen.

19 Zu dieser These ausführlicher mit Musikbeispielen und Beschreibungen des Erfahrens aus der Literatur: Wallbaum, C. (2012). Stürze in die Natur. Eine These zu Musik und musikalischer Bildung. In: Hiekel, J.P. (Hrsg.), Berührungen. Über das (Nicht-) Verstehen von Neuer Musik. (= Veröffentlichungen des Instituts für Neue Musik und Musikerziehung Darmstadt, Bd. 52) (S. 46–56) Mainz: Schott; mit Musikbeispielen und Beschreibungen der Erfahrung aus der Philosophie ders. (2012). Neue Musik als Hörhilfe für eine Art der Weltzuwendung. In: Dartsch, M., Konrad, S., Rolle C. (Hrsg.), neues hören und sehen ... und vermitteln. Pädagogische Modelle und Reflexionen zur Neuen Musik. (=Schriftenreihe Netzwerk Musik Saar, Bd.7) (S. 25–37) Regensburg: ConBrio.


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